„Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich hab keine Kondome mehr zu Hause.“
Junge, das klingt wirklich komisch. Aber wir beide sind nicht nur erwachsen, offensichtlich auch verantwortungsbewusst. Ich packe ein rotes und ein blaues ein und mache mich auf den Weg.
Wir kennen uns jetzt sieben Tage und sehen uns zum vierten Mal.
In meinem Profil steht, ich suche Männer. Er sucht Frauen. Als wir dann schnell bemerken, dass wir nicht nur in diesem Punkt übereinstimmen, beschließen wir, wir sollten uns kennenlernen. Warum nicht, deswegen begründen Internetflirtplattformen schließlich ihr Dasein. Virtuelles Kennenlernen, persönliches Kennenlernen, intimes Kennenlernen. Zeitlassen ist was für Romantiker und außerdem manchmal Zeitverschwendung.
shine.on - 28. Aug, 22:24
Nachmittags vor den Schönhauser Allee Arkaden treffen wir uns. Um drei, die beste Zeit zum Kaffeetrinken. Meine Exkollegin, das Sonnenscheinchen, und ich treffen uns zum gemeinsamen nachmittäglichen Zeitvertreib. Wir sind jung, wir haben nichts zu tun, wir gehen Kaffeetrinken, wir sind arbeitslos. „Arbeitsuchend“ sagt man da ja wohl eher heute, weil es weicher klingt. Aber wir sind weniger auf der Suche, eher in einer Phase der Umorientierung. Die Eine traurig und sich als Versager fühlend, die Andere irgendwie ganz froh, nicht mehr jeden Morgen halb sieben aufstehen zu müssen, weil das mit der Arbeit vorbei ist.
Wir schlendern die Schönhauser Allee entlang, auf der Suche nach einem Kopierladen. Ich brauche noch ein paar Abzüge meines Arbeitszeugnisses, ich will mich doch bewerben, sieht ja sonst auch irgendwie komisch aus und die Eltern stellen schon mehr Forderungen als Fragen. Wir kommen an diesem tollen Blumengeschäft vorbei, in dem man auch Kaffeetrinken kann. Sonnenscheinchen will mir dort die Papageien zeigen. Doch sofort werden wir von einem Verkäufertyp abgehalten und zwingend nach unseren Bedürfnissen interviewt. Anscheinend ist da kein gaffendes Publikum gewünscht. Eine Grünpflanze muss her, beschließt das Sonnenscheinchen augenblicklich. „Möchten Sie mir vielleicht mal etwas genauer den Standort beschreiben?“ Da können die noch so viele Papageien durch den Laden fliegen lassen, über Geografie wollen wir jetzt nicht sprechen.
Weiter geht’s, ein Kopierladen lässt sich finden, hier gibt’s eben alles. Nun, wenigstens hab ich mit dem Erstellen von zehn Kopien zukunftsblickend eine kleine Winzigkeit zum Beenden meines aktuellen Schwebezustandes in Warteposition getan. Wir laufen an einem Filmset vorbei. Wie immer gibt es nichts zu sehen. Der Tisch der Cateringhabseeligkeiten sieht auch dürftig bestückt aus. Anscheinend wird hier auch nur so getan, als ob etwas getan wird.
Wir kehren in ein Cafe ein. Ich fühle mich wie in einem Ausstellungsraum für DDR-Möbelstücke der 70er und 80er, Sonnenscheinchen gefällts. Wir bestellen Milchshake, Eis und Capuccino und reden. Wir reden kein Wort über die Arbeit oder besser gesagt unsere Exarbeit. Wir reden über Urlaub, Liebschaften, Freunde von Freunden und diesen Kram.
Die Tür geht auf, vier Mütter mit den dazugehörigen Kindern (mehr als vier) betreten das Cafe. Das Getöse, was sie mitbringen, zerschneidet die vorher dagewesene Gemütlichkeit. Paul, Emma und Co stürmen die Spielecke, neben der wir uns ungeschickter Weiße auf dem Sofa niederließen. Bevor die Prenzlbergmütter ihre Bestellung am Tresen aufgeben werden die Zwerge befragt, ob sie lieber ein Rosinenbrötchen oder ein Croissant möchten. Wieso muss ein zweijähriges Kind über französische Frühstückskultur informiert sein? Die Kinderwahl fällt auf die deutschere Variante. Aber irgendwas war wohl nicht in Ordnung mit dem Rosinenbrötchen. Als Sonnenscheinchen gerade über die Woche auf Hiddensee berichtet, strömt ein unangenehmer Duft in unsere kinderlosen Nasen. Die Prenzlbergmütter schlürfen gemütlich weiter am gefleckten Warmmilchgetränk. Uns kommt fast das Kotzen und wir können uns kaum noch auf unser Gespräch konsentrieren. Endlich bemerkt auch die Mutterfraktion, dass da was in der Luft liegt. Anscheinend sind ihre Nasen im Getümmel irritiert, denn es gelingt ihnen an der Geruchsprobe nicht, den Herd der Luftverseuchung zu lokalisieren. Eine Mutter schnappt sich nach der anderen ein Kind. Leider nie das eigene, was zu Folge hat, dass die jeweils zurückgebliebenen Nachkommen, Terror aufgrund von Verlustängsten verbreiten, den die anderen Mütter nun zu besänftigen versuchen. „Wie war das jetzt noch mal mit eurer Wanderung an der Küste?“ Wir kommen nicht weiter mit unserem aktuellen Thema der Unterhaltung. Zwangsläufig kommen wir zum uns vorgesetzten Thema und beteuern uns überzeugend, dass wir froh sind, keine Kinder zu haben. Irgendwann ist dann der Geruchsherd gefunden, aber die Kinderpartystimmung rockt weiter. Sonnenscheinchen und ich kommen aber erst wieder runter, nach dem die Prenzlbergmütter sich mit Nachwuchs gen Spielplatz verabschiedet haben. Danke.
Auf dem Nachhauseweg kehre ich doch noch spontan bei Hasi & Mausi ein. Ne riesige Schwangerschaftsmodeabteilung haben die da. Von mir aus. Aber sonst gibt’s alles nur bis Größe 38.
Ich fühle mich diskriminiert!
shine.on - 28. Aug, 21:27